Süßkirsche ist nicht gleich Süßkirsche
Reife Kirschen sind nicht immer rot. Manche werden fast Schwarz, manche bleiben Hellrot, fast Orange oder sogar gelb. Auch geschmacklich gibt es Unterschiede. Dies zu entdecken, ist ein Abenteuer. Für einen kleinen Überblick stellen wir hier ein paar unserer Kirschen des Jahres vor. So könnt ihr eintauchen in die Vielfalt von Farben und Geschmack.
’Büttners (Späte) Rote Knorpelkirsche’ /Rotbunte Knorpelkirsche der 5.Kirschwoche ist die Kirsche des Jahres 2025!
Herkunft und Verbreitung:Die Sorte wurde um 1800 vom Stiftsamtmann Büttner in Halle/Saale aus Samen gezogen, 1807 dem Pomologen Truchsess (Coburg) übergeben und von diesem als
’Büttners Späte Rote Knorpelkirsche’ erstmals beschrieben.
Die Sorte war schon um 1900 in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen verbreitet. 1936 wurde sie in zehn von neunzehn Kammerbezirken der Landwirtschaftskammern Deutschlands zur Anpflanzung empfohlen, 1951 in dreizehn Kammerbezirken.
Die Sorte ist auch heute noch im Streuobst weit verbreitet und dürfte vor allem in der Mitte und dem Osten Deutschlands noch zu den häufigsten Sorten gehören. In der Kirschgemeinde Hagen a.T.W. ist sie jedoch kaum bekannt. Unter dem Namen ‘
Büttners Rote Knorpel’ ist die Sorte noch in Reisermuttergärten und Baumschulen erhältlich.
Baum- und Fruchteigenschaften:Die Frucht ist mittelgroß bis groß, rundlich bis herzförmig. Sie ist gelb, sonnenseitig mehr oder weniger stark gerötet, überreif z. T. auch ganz dunkelrot und vollreif ungleichmäßig fleckig. Das Fruchtfleisch ist sehr fest und aromatisch, vor der Vollreife noch leicht bitter. Die Sorte ist jedoch sehr platzanfällig.
Die Baumgesundheit ist im allgemeinen gut, daher kann sie allgemein für den Streuobstanbau empfohlen werden. Sie gilt als robust und breit anbaufähig, auch für Höhenlagen.
Anbaueignung und Verwendung:Sehr gut als Tafelfrucht, auch zur Konservierung geeignet. Bei Selbstvermarktung ist sie auch für den Erwerbsobstbau geeignet.
Die ‘Schwarze Tartarische‘ ist die Kirsche des Jahres 2024!
Herkunft und Verbreitung:Die Sorte soll aus Taurien (südliche Ukraine), der Heimat der Tataren stammen. Andere Quellen vermuten, dass sie 1794 aus Tscherkessien (Kaukasus) nach England eingeführt wurde, von wo aus sie später auch nach Deutschland gelangte.
Die ’
Schwarze Tartarische’ hat in Deutschland nie größere Bedeutung im Anbau erlangt. In den Vereinigten Staaten dagegen gehörte sie zu den am meisten verbreiteten Süßkirschsorten. Ob die Sorte in Deutschland im Streuobst noch gelegentlich vorkommt, ist nicht zu beurteilen. Bisher wurde sie von den Autoren nur auf zwei Bäumen in der Kirschgemeinde Hagen a.T.W. im westlichen Niedersachsen aufgefunden.
Baum- und Fruchteigenschaften:Die Blüte beginnt mittelfrüh, die Blüten sind klein bis mittelgroß. Die Sorte ist mäßig gesund, etwas moniliaanfällig, deutlich anfällig für Schrotschuss.
Die Früchte sind mittelgroß, dunkelrot und werden in der Vollreife schwarzrot. Die Fruchtform ist stumpf herzförmig. Die Frucht erscheint sowohl in der Vorder- als auch in der Seitenansicht auffallend „dreieckig“. Das Fruchtfleisch ist weich und dunkelrot und löst gut vom Stein. Das Aroma etwas sauerkirschähnlich, der Saft relativ wenig färbend. Die Früchte sind sehr platzfest.
Anbaueignung und Verwendung:Die Sorte fällt mit ihrer Fruchtreife in die Hauptkirschenzeit. Da die die Frucht eine weiche Fleischtextur besitzt, ist sie für den Anbau als Tafelkirsche eher nicht zu empfehlen. Eine Eignung für Verarbeitung und Konservierung (z. B. Kompott, Marmelade) müsste geprüft werden, ist aber zu vermuten.
Die ‘Weiße Spanische‘ ist die Kirsche des Jahres 2023!
Herkunft und Verbreitung:Die Sorte ’
Weiße Spanische’ wurde Ende des 18. Jahrhunderts erstmals beschrieben. Um 1900 war sie in Deutschland bereits relativ weit verbreitet, besonders in Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Dort wurde sie auch noch Anfang der 1950er Jahre zum Anbau empfohlen, wurde jedoch Ende der 1950er Jahre aus der Liste der in der DDR zugelassenen Sorten gestrichen. In Westdeutschland ist die
’Weiße Spanische’ noch schneller in Vergessenheit geraten. Im Streuobst dürfte sie vereinzelt auch heute noch vorkommen. Seit 2007 wird die Sorte wieder vom Reisermuttergarten der ORG GmbH Wachtberg angeboten.
Baum- und Fruchteigenschaften:Die ’
Weiße Spanische’ blüht mittelfrüh
. In den Anbaugebieten Hagen am Teutoburger Wald und Witzenhausen hat sich die Sorte als sehr gesund gezeigt.
Die Frucht der ’
Weißen Spanischen’ ist mittelgroß und blassgelb und sonnenseitig gerötet, jedoch geringer als andere rotbunte Sorten. Das Fruchtfleisch ist mittelfest und weißlich bis hell gelb, saftig, sehr süß mit feiner Säure und sehr aromatisch. Die Frucht ist mittel platzfest.
Anbaueignung und Verwendung:Geschmacklich eine sehr hochwertige und zum Frischverzehr sowie zur Konservierung gut geeignete Kirsche, deren Eignung für Obstbrand geprüft werden sollte. Nachteilig ist die Neigung zu Fleckigkeit der Frucht, was eine Vermarktung als Tafelkirsche erschwert. Positiv für den Streuobst- und Selbstversorgeranbau ist die gute Baumgesundheit.
Die ‘Schneiders Späte Knorpel‘ ist die Kirsche des Jahres 2022!
Herkunft:Es handelt sich um einen Zufallssämling aus Guben an der Neisse (Brandenburg), dem im frühen 19. Jahrhundert bedeutendsten Zentrum der Kirschzüchtung. Benannt nach dem Besitzer des Grundstücks, auf dem sie aufgefunden wurde, von dort wurde die Sorte ab etwa 1865 verbreitet.
Verbreitung:Etwa seit 1936 wird die Sorte von 11, 1951 von 12 Landwirtschaftskammern (von insgesamt 19) zur Anpflanzung empfohlen. Aufgrund ihrer Fruchtgröße und ihres guten Geschmacks war die Sorte über viele Jahrzehnte gewissermaßen die „Königin“ der alten Kirschsorten, noch 1965 war sie in der Bundessortenliste aufgelistet. Auch heute noch ist ’
Schneiders Späte Knorpel’ in ganz Deutschland im Streuobst eine der am häufigsten vorkommenden Sorten. Sie gehört mit der ’
Hedelfinger’, ’
Großen Schwarzen Knorpel’ und ’
Büttners Roten Knorpel’ zum Standardsortiment alter Sorten, das von den Reisermuttergärten angeboten und noch regelmäßig in Baumschulen erhältlich ist. Teilweise wird die Sorte auch noch im Erwerbsobstbau angebaut.
Frucht- und Baumeigenschaften:Die große bis sehr große Frucht ist vollreif dunkelrot bis braunrot, wird jedoch nicht ganz schwarz. Das Fruchtfleisch ist fest und knorpelig, dabei genügend saftig, farblich heller als bei anderen dunklen Knorpelkirschen, der Saft färbt kaum. Die Kirsche ist süß-aromatisch mit typischem Gewürz, sie schmeckt auch schon in halbreifem Zustand. Leider hat sie eine geringe Platzfestigkeit.
Die Sorte hat in der Regel eine gute Baumgesundheit, der Wuchs ist stark bis sehr stark. Die Leitäste stehen eher steil, es entsteht oft eine Zwillingsstammbildung. Die Belaubung ist dicht, gesund und kräftig.
Blüte: Die Blüten sind mittelgroß, die Schneiders blüht mittelspät bis spät, wie die Frucht ungleichmäßig folgernd, mit wenig (eher grünlichem) Blattaustrieb.
Anbaueignung und Verwendung:Aufgrund ihrer Fruchtgröße, ihrer hervorragenden geschmacklichen Qualität und ihrer Baumgesundheit ist ’
Schneiders Späte Knorpel’ trotz eines relativ späten Ertragsbeginns noch immer für den Anbau allgemein zu empfehlen. Leider ist sie aber in manchen Jahren auch von der Kirschfruchtfliege befallen.
Ihre Platzanfälligkeit teilt sie mit vielen späten Knorpelkirschen. Die stark folgernden Reife macht die Sorte gerade für den Selbstversorger und Kleinvermarkter empfehlenswert; für die Vermarktung vorteilhaft ist, dass die Sorte bereits in halbreifem Zustand schmeckt. Bei hochstämmigen Streuobstpflanzungen sollte aufgrund ihres starken und steilen Wuchses eine regelmäßige Kronenerziehung gewährleistet sein, da die Krone sonst nur schwer beerntbar ist.
Als Tafelfrucht ist die Schneiders ebenso wie zur Konservierung gut geeignet.
Die ‘Kronprinz von Hannover‘ ist die Kirsche des Jahres 2021!
Herkunft:Der Mutterbaum der ‘Kronprinz von Hannover’ wurde Mitte des 19. Jahrhunderts vom Baumschulbesitzer Lieke in Hildesheim aus Samen gezogen und trug 1854 erstmals Früchte. 1861 wurde die Sorte im „Illustrierten Handbuch der Obstkunde“ (JAHN et al. 1861) erstmals beschrieben.
Verbreitung:Anfang des 20. Jahrhunderts war die Sorte im Prüfsortiment des Provinzial-Obstgartens Halle-Diemitz vertreten und wurde dort auch positiv bewertet. Noch 1952 wurde sie von der Landwirtschaftskammer Hannover für deren Einzugsbereich empfohlen. Im Reisermuttergarten Hannover ist die Sorte – was sie möglicherweise ihrem Namen verdankt – heute noch erhältlich. Im Streuobst scheint die Sorte ‘Kronprinz von Hannover’ zumindest im norddeutschen Raum noch verbreitet zu sein. Sie war 2010 in Südniedersachsen, in Nordhessen und im angrenzenden Thüringen ebenso noch anzutreffen wie in Hagen a.T.W..
Frucht- und Baumeigenschaften:Die Kirsche wird in der 3. Kirschwoche, also relativ früh, reif. Die Frucht ist mittelgroß bis groß und weißgelb mit roter, verwaschen marmorierter Deckfarbe. Sie wirkt etwas glasig-transparent. Das Fruchtfleisch ist weißgelb, weich, mäßig aromatisch, saftig, etwas wässrig. Die Platzfestigkeit der Frucht ist relativ hoch.
Die Sorte hat relativ gesunde Bäume mit einer gewissen Anfälligkeit für die Schrotschusskrankheit.
Anbaueignung und Verwendung:Der „Kronprinz von Hannover“ ist eine rotbunte, großfrüchtige und relativ platzfeste, allerdings transportempfindliche mittelfrühe Kirsche von ansprechendem Äußeren, mit regelmäßigem Ertrag und noch befriedigender Baumgesundheit. Vollreif eignet sie sich als Tafelkirsche und Einmachfrucht. Die Eignung zum Brennen müsste geprüft werden.
Die ‘Späte Spanische’ ist die Kirsche des Jahres 2020!
Herkunft: Die Herkunft dieser Sorte ist unbekannt, die Kirsche wird auch in der pomologischen Literatur nirgendwo eingehend beschrieben. Es dürfte sich jedoch um eine sehr alte Sorte handeln, die zumindest im Alten Land bei Hamburg noch bis in neuere Zeit geläufig war.
Verbreitung: Zumindest im Alten Land ist die hier beschriebene Sorte bis in die 1960er Jahre noch unter verschiedenen mundartlichen Schreibweisen (z. B. ’Loot Spoonsche’) bekannt und verbreitet gewesen und auch heute noch gelegentlich im Streuobst zu finden. Auch anderswo scheint sie einst verbreitet gewesen zu sein; als ’Late Spanske’ war sie auch in der Kirschgemeinde Hagen a.T.W. im westlichen Niedersachsen noch einigen Kirschbesitzern geläufig. Bäume sind außerdem auch in Südniedersachsen, im östlichen Westfalen sowie in Mittelhessen noch im Streuobst anzutreffen, wenn auch selten.
Baumgesundheit und Anbaueignung: Die Bäume dieser Sorte sind in der Regel mäßig gesund, sie haben sich als etwas anfällig für Monilia (vermutlich auch für Schrotschuss) gezeigt. Die Gesundheit einer Pflanzen hängt aber auch immer von den Standorteigenschaften zusammen. Es handelt sich um eine spätreifende und relativ platzfeste Sorte, deren Früchte ein besonderes Bittermandel-Aroma aufweisen. Die Früchte sind jedoch für die heutigen Ansprüche des Erwerbsanbaus zu klein. Daher ist sie eher eine Liebhabersorte für Selbstversorger, die sich vom marktüblichen Geschmack absetzt. Durch die späte Reife ist jedoch die Gefahr des Befalls mit Kirschfruchtfliege sehr hoch.
Die ‘Dönissens Gelbe Knorpel’ ist die „Kirsche des Jahres 2019!
Herkunft: Die Sorte ist vermutlich in Guben/Neiße (Brandenburg) als Sämling entstanden und wurde nach ihrem Züchter benannt. Sie wurde 1825 in der Literatur erstmals erwähnt.
Verbreitung: Obwohl die Sorte im Erwerbsobstbau zu keiner Zeit Bedeutung erlangt hat, ist die ’Dönissens‘ – vermutlich allein aufgrund ihrer farblichen Besonderheit – über inzwischen fast zwei Jahrhunderte hinweg immer wieder in allen gängigen Obstsortenbüchern erwähnt und beschrieben worden. Im Allgemeinen wurde sie als Konservenkirsche für den Selbstversorger empfohlen, die wenig von Vögeln heimgesucht werde. Sie hat in Deutschland nur geringe Verbreitung gefunden und ist heute zwar in allen Regionen, jedoch meist nur noch vereinzelt im Streuobstanbau anzutreffen. Die Sorte ist auch heute noch in Baumschulen und Reisermuttergärten erhältlich.
Baumgesundheit und Anbaueignung: Die Dönissens zeigt eine gute Baumgesundheit bei starkem Wuchs. Die Fruchtäste befinden sich im Außenbereich der Krone hängend. Die Kronenform ist kugelig und dicht verzweigt. Für den Selbstversorger ist die Sorte durchaus vorteilhaft, da (wie alle gelbfarbigen Sorten) ihre Früchte erst kurz vor der Vollreife von der Kirschfruchtfliege angeflogen werden und sich deren Maden i.d.R. nicht mehr zu störender Größe entwickeln. Die Erträge sind bei guter Baumgesundheit hoch und aufgrund der späten Blüte regelmäßig. Der Baum gilt als frostwiderstandsfähig, kann sich auf nährstoffarmen Böden jedoch rasch erschöpfen. Die Früchte müssen wegen ihrer Druckanfälligkeit jedoch rasch nach der Ernte verarbeitet oder verzehrt werden.
Die ‘Knauffs Schwarze’ ist die „Kirsche des Jahres 2018!
Herkunft: Die Sorte wurde vom Obstbauern Knauff aus Werder/Havel (bei Potsdam) in einem 1820-1840 gepachteten Gutsgarten in Bornim gefunden und im Havelgebiet weiter vermehrt.
Verbreitung: Die ‘Knauffs Schwarze’ wurde 1952 für den Erwerbsanbau empfohlen und erfuhr als regelmäßig tragende Frühsorte eine weite Verbreitung. Sie dürfte daher heute in ganz Deutschland noch im Streuobst vorkommen. Im Reisermuttergarten Magdeburg ist die ‘Knauffs Schwarze’ heute noch erhältlich.
Baumgesundheit: Die Gesundheit der Bäume dieser Sorte ist mäßig gut bis gut. Sie ist etwas anfällig für Gummifluss. Die Sorte wird aufgrund ihres schwächeren Wuchses nicht sehr alt und scheint auf unterschiedliche Bodenverhältnisse zu reagieren. Lt. Literatur ist sie eher für sandige als für lehmige Böden geeignet.
Anbaueignung: Die Sorte wurde in den 1960er Jahren in verschiedenen Anbaugebieten als früh, regelmäßig und reich tragende Frühkirsche auch für den Erwerbsanbau empfohlen. Der nur mittelstarke Wuchs macht die Sorte auch für Haus- und Kleingärten interessant; für den Selbstversorger ist die stark folgernde Reife eher vorteilhaft. Durch die großen Erträge bleiben die Früchte jedoch meist recht klein; geschmacklich wird sie zu ihrer Reifezeit von anderen Sorten übertroffen. Als Marmelade verarbeitet wurde sie in den vergangenen Jahren jedoch schon oft als sehr schmackhaft beschrieben.
Die "Tilgeners Rote Herzkirsche" ist Kirsche des Jahres 2017!
Herkunft: Diese wunderschöne, ihrem Namen alle Ehre machende Kirschsorte wurde um 1800 im brandenburgischen Guben, damals Zentrum der deutschen Kirschzüchtung, von einem Herrn Tilgener aus Samen gezogen. Die Sorte scheint trotz einstmaliger Verbreitung schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wieder verloren gegangen zu sein. Nach 1900 wird sie weder in Empfehlungslisten der Landwirtschaftskammern noch in den Angebotskatalogen der großen Obstbauschulen aufgeführt und muss schon seit vielen Jahrzehnten offiziell als verschollen gelten. Die Kirschexperten waren daher sehr froh, als die „Tilgeners Rote Herzkirsche“ in Hagen a.T.W. wieder gefunden werden konnte. Allerdings ist sie auch hier leider nur noch selten zu finden.
Baummerkmale und Anbaueignung: Es handelt sich bei der „Tilgeners“ um eine sehr gesunde Kirschsorte. Sie ist nicht anfällig für Gummifluss, Monilia oder Schrotschuss. Die Bäume zeigen einen starken Wuchs und bilden eine breit- bis hochkugelige, schirmartige Krone mit stark hängenden Fruchtästen. Der Baum ist am Hagener Standort sehr gesund. Die gleichzeitige und relativ zügige Abreife aller Früchte kann für eine Ernte zu Verarbeitungszwecken von Vorteil sein.
Die "Grafenburger Frühkirsche" ist Kirsche des Jahres 2016!
Herkunft: Die Grafenburger Frühkirsche wurde um 1880 in der Baumschule der Kaiserlichen Obstbau-Schule „Grafenburg“ in Brumath (Elsass) aus Samen gezogen und 1893 vom Direktor der Schule, W. Schüle, erstmals beschrieben. Um 1910 wurde die Sorte vom Pomologischen Institut in Reutlingen auch in Deutschland verbreitet. Aus späterer Zeit gibt es keine Hinweise mehr auf die Sorte.
Verbreitung: Die Sorte wurde Anfang des 20. Jahrhunderts vom Pomologischen Institut in Reutlingen vermehrt und war dort 1910 in einer Liste „geprüfter und sehr wertvoller Obstsorten“ aufgeführt, woraus auf eine gewisse Verbreitung zur damaligen Zeit zumindest in Süddeutschland geschlossen werden kann. Doch schon weit vor dem zweiten Weltkrieg ist sie in Deutschland aus den Angebotslisten der Baumschulen verschwunden. Auch in den Sortimentspflanzungen der Obstbauinstitute war sie nicht vertreten und ist folglich nie in die Angebotslisten der Reisermuttergärten aufgenommen worden.
Durch die mündliche Überlieferung des Sortennamens in der Kirschgemeinde Hagen a.T.W. konnte die verschollene Sorte erstmals wiedergefunden werden. Sie dürfte auch im Streuobst sehr selten sein - außer in Hagen a.T.W. wurde die Sorte bisher noch in keinem weiteren Anbaugebiet angetroffen.
Baummerkmale und Anbauempfehlung: Die Grafenburger Frühkirsche ist gesund. Ihr Wuchs ist stark und ähnelt der ’Schneiders Späten Knorpel’. Die Leitäste wachsen steil. Die Sorte neigt zur Ausbildung von Zwillingsstämmen. Die Krone wird trichterförmig und hochkugelig. Eine aufgrund ihrer Fruchteigenschaften (Fruchtgröße, Festigkeit, Geschmack) empfehlenswerte Sorte, die ihre Erhaltung und weitere Beobachtung verdient. Auch die Baumgesundheit ist positiv hervorzuheben. Aufgrund des starken Wachstums der Sorte ist jedoch ein eher später Ertragsbeginn zu vermuten. Die etwas folgernde Reife ist für die private Nutzung eher von Vorteil.
Die "Große Prinzessin" ist Kirsche des Jahres 2015!
Herkunft: Die Große Prinzessin ist eine sehr alte Sorte, möglicherweise aus Holland stammend. Sie war bereits Ende des 18. Jahrhundert in Deutschland verbreitet.
Verbreitung: Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts war die Sorte sehr verbreitet. Auch noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird eine als ’Grosse Prinzessin’ bezeichnete Sorte von einer großen Zahl von Landwirtschaftskammern empfohlen. Auch 1965 ist sie noch auf der Bundessortenliste vertreten. Die ’Große Prinzessin’ ist heute prinzipiell noch in ganz Deutschland im Streuobst zu finden und im gängigen Sortiment der Reisermuttergärten und Baumschulen vertreten. In der Kirschgemeinde Hagen a.T.W. im westlichen Niedersachsen kommt die ’Große Prinzessin’ noch relativ häufig vor.
Baummerkmale und Anbauempfehlung: Aufgrund der hohen Ansprüche an Klima und Boden ist die Sorte aber nur an geeigneten Standorten sowie dem Liebhaber zu empfehlen. Der Wuchs ist stark, die Leitäste sind steil und sparrig. Die Krone ist meist hochgebaut, sparrig, z. T. auch kugelig. Die Baumgesundheit ist mäßig. Laut Literatur reagiert sie auf schwere, feuchte Böden mit Spitzendürre und Gummifluß. Im Raum Südniedersachsen sind die Bäume i.d.R. gesund. In Hagen a.T.W. zeigte sich die Mehrzahl der Bäume dieser Sorte anfällig für Spitzendürre und eine Neigung zum Verkahlen.
Die Kirsche des Jahres 2014 heißt: 'Grolls Schwarze'!
Herkunft: Die Sorte "Grolls Schwarze" ist eine der vielen im 19. Jahrhundert im Kirschanbaugebiet um Guben an der Neiße (Brandenburg) entstandenen Sorten. Sie ist in den Empfehlungslisten der verschiedenen Landwirschaftskammern in Deutschland weder im Jahr 1936 noch 1951 aufgeführt. Dennoch ist sie allem Anschein nach - nicht zuletzt aufgrund ihrer hervorragenden Fruchtqualität - noch bis in die 1960er Jahre im Anbau in verschiedenen Regionen Deutschlands verbreitet gewesen. Die "Grolls Schwarze" kommt heute noch im Streuobst vor, wenn auch ihr Name und ds Wissen um ihre Herkunft und ihre Eigenschaften vielerorts verloren gegangen sind. In Hagen a.T.W. ist die Sorte ebenfalls, wenn auch nicht sehr häufig, zu finden. Baummerkmale und Anbauempfehlung: Die 'Grolls Schwarze' blüht früh bei mittelspäter Fruchtreife. Die Baumgesundheit ist in der Regel gut. Sie ist wenig anfällig für Schrotschuss und Monilia. Für Selbstversorger sowie Streuobstpflanzungen kann die Sorte in jedem Fall empfohlen werden.
Die Kirsche des Jahres 2013 heißt: 'Garrns Bunte'!
Herkunft: Die Sorte 'Garrns Bunte' ist vor 1930 im Alten Land bei Hamburg, vermutlich auf einem der dortigen Obsthöfe, entstanden. Der Name ’Garrn’ ist dort noch heute verbreitet.Verbreitung: Es handelt sich um eine Regionalsorte, die im Alten Land im Streuobst eine gewisse Verbreitung hatte und dort auch heute noch häufiger anzutreffen ist. In anderen Regionen ist sie dagegen eher selten. In der allgemeinen Obstsorten-Literatur taucht die ’Garrns Bunte’ nicht auf. Sie wurde jedoch in den 1950er Jahren noch von der Landwirtschaftskammer Hannover empfohlen. In Reisermuttergärten und den Sortimentspflanzungen der Obstinstitute ist die Sorte in den letzten Jahrzehnten nicht mehr vorhanden gewesen und musste daher „offiziell“ als verschollen gelten. In Hagen a.T.W. wurde sie wieder aufgefunden und ist seit 2007 nun auch wieder im Reisermuttergarten Bonn verfügbar.
Baummerkmale und Anbauempfehlung: Die 'Garrns Bunte' blüht früh bis mittelfrüh, noch vor dem Blattaustrieb. Die Sorte ist sehr gesund und nicht anfällig für Schrotschusskrankheit, wenig anfällig für Monilia. Sie bildet eine starke und dicht verzweigte Krone. Die 'Garrns Bunte' ist von den in der Kirschgemeinde Hagen a.T.W. angetroffenen sehr frühreifenden hellen Kirschen die reichtragendste und geschmacklich beste Sorte. Zudem wird sie vergleichsweise wenig von Vögeln dezimiert und als Frühsorte nicht von der Kirschfruchtfliege befallen. Sie ist außerdem wegen ihres breitkronigen Trauerwuchses gut beerntbar.
Kirsche des Jahres 2012: Flamentiner (in Hagen a.T.W. bekannt als 'Leggeske')!
Herkunft: Die Sorte ist wahrscheinlich in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts bei Angers in Nordfrankreich entstanden. 1804 wird sie im Katalog der Pariser Nationalbaumschule unter der Bezeichnung "Le Flammentin" geführt. Aufgrund einer Namensverwechslung wurde die Sorte in Thüringen schnell als "Türkine" verbreitet. In Hagen a.T.W. ist sie unter dem Lokalnamen "Leggeske" bekannt. Mittelgroße, rotbunte Früchte (Reife in der 1.- 3. Kirschwoche). Das Fruchtfleisch ist gelblich, weich, saftig, aromatisch, mit deutlicher Säure, vollreif sehr wohlschmeckend. Die Platzfestigkeit ist hoch.
Verbreitung: Unter dem Namen "Türkine" – und womöglich auch noch unter anderen Namen – war die Sorte einst in ganz Deutschland sowie auch in angrenzenden Ländern verbreitet. Auf den Fahner’schen Höhen bei Gotha, wo um 1900 über 20.000 Bäume der Sorte gestanden haben sollen, war sie eine der Hauptsorten im Erwerbsanbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In den folgenden Jahrzehnten verschwand die Sorte aus dem Anbau, war auch weder in den Reisermuttergärten noch in den Sortimentspflanzungen der Obstbauinstitute mehr vorhanden und musste daher offiziell als verschollen eingestuft werden.
Baummerkmale und Anbauempfehlung: Die "Flamentiner" blüht und reift früh und ist daher bisher kaum von den Maden der Kirschfruchtfliege betroffen. Die Bäume dieser Sorte in Hagen a.T.W. im (regenreicheren) westlichen Niedersachsen zeigten sich etwas anfällig für Monilia und Gummifluss. Es handelt sich um eine sehr früh reifende rotbunte Süßkirsche mit etwas folgernder Reife und in der Vollreife ansprechender Frucht. Da sie jedoch sehr transportempfindlich ist, sollte sie für den Eigengebrauch angebaut und evtl. auch verarbeitet werden. Geschmacklich eine der besseren Frühkirschen, die allerdings einen ihr zusagenden Standort verlangt.
Kirsche des Jahres 2011: Schubacks Frühe Schwarze!
Herkunft: Die Sorte stammt vom Obsthof Schuback im Alten Land bei Hamburg.
Verbreitung: Bis Anfang der 1950er Jahre wurde ’Schubacks Frühe Schwarze’ von den Landwirtschaftskammern Hamburg und Hannover empfohlen. In manchen Betrieben des Alten Landes lag der Anteil der 'Schubacks Kirsche' in den 1950er Jahren bei 25 % der gesamten Kirschernte. Noch in den 1980er Jahren wurde die Sorte auch in Baden als Brennkirsche angeboten. In der Kirschgemeinde Hagen a.T.W. war sie einst eine der Hauptsorten und als solche namentlich allgemein bekannt.
Baummerkmale und Anbauempfehlung: Die 'Schubacks' reift mittelfrüh und ist daher bisher kaum von den Maden der Kirschfruchtfliege betroffen. Sie bildet eine sehr schöne Blüte. Aufgrund ihrer Inhaltsstoffe ist diese Sorte auch interessant als Massenträger für Obstbrand, Eis oder Konserve; hier kann die schnelle Abreife (z. B. für Schüttelernte) von Vorteil sein.
Kirsche des Jahres 2010: Lucienkirsche!
Herkunft: Die 'Lucienkirsche' wurde um 1800 vom Rentmeister Uellner auf dem Gut Alt-Luneberg bei Bremerhaven aufgefunden und von dort auch in andere Regionen verbreitet.
Verbreitung: Die ‘Lucienkirsche‘ stand schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts regelmäßig auf den Sorten-Empfehlungslisten des Deutschen Pomologen-Vereins. Sie dürfte vor allem im Nordwesten Deutschlands verbreitet gewesen sein. Anfang der 1950er Jahre wurde die Sorte noch von den Landwirtschaftskammern Weser-Ems und Bayern zur Anpflanzung empfohlen. 1962 findet sich ihr Name noch in einer Liste der „Handelsnamen für Kern- und Steinobstsorten“ der Bundesobstsorten-Kommission. In den letzten Jahrzehnten war die ‘Lucienkirsche‘ deutschlandweit in keinem Reisermuttergarten oder Obstbauinstitut mehr erhältlich und musste insofern offiziell als verschollen eingestuft werden. Dass die ‘Lucien‘ andererseits in der Kirschgemeinde Hagen a.T.W. über Jahrzehnte die mit Abstand häufigste und bekannteste Sorte des Ortes war und dort auch heute noch zahlreich vertreten ist, zeigt, wie regional unterschiedlich sich einst die Sortimente je nach den örtlichen Boden- und Klimaverhältnissen sowie den (eher zufälligen) Einflussnahmen regionaler Baumschulen oder Empfehlungen entwickelt haben.
Baummerkmale und Anbauempfehlung: Gesunde Sorte, kaum anfällig für Krankheiten und Schädlinge. Die Bäume erreichen ein hohes Alter. Auch wenn die Sorte nicht zu den größten und aromatischsten Süßkirschen zählen kann und helle Kirschen heute auf dem Markt nicht mehr so gefragt sind, kann sie für den Streuobstanbau dennoch empfohlen werden aufgrund der hohen Baumgesundheit, der sicheren Erträge, des günstigen (beerntbaren) Kronenaufbaus und der hohen Platzfestigkeit der Frucht. Die langsame Abreife über einen Zeitraum von bis zu 14 Tagen ist für Selbstversorger wie für Direktvermarkter gleichermaßen vorteilhaft.
Kirsche des Jahres 2009: Schöne aus Marienhöhe!
Herkunft: Die Sorte wurde 1836 in der Landesbaumschule Marienhöhe bei Weimar aus Samen gezogen und im Jahr 1861 im Band 3 des „Illustrirten Handbuch der Obstkunde“ erstmals beschrieben.
Verbreitung: Die ’Schöne aus Marienhöhe’ war einst besonders im Raum Erfurt bis Halle/Saale verbreitet. Anfang der 1950er Jahre wurde sie auch von der Landwirtschaftskammer Weser/Ems empfohlen. In einer Liste der „Handelsnamen für Kern- und Steinobstsorten“ aus den 1960er Jahren ist sie ebenfalls noch genannt. Aus dem Erwerbsanbau ist die Sorte jedoch schon seit Jahrzehnten verschwunden. Sie ist in Deutschland heute weder in Reisermuttergärten noch in den Sortimentslisten der Baumschulen oder in den Erhaltungspflanzungen der Obst-Institute vorhanden und musste daher „offiziell“ als verschollen gelten. Im Streuobst dürfte die Sorte noch gebietsweise anzutreffen sein, zumal ihre Bäume ein hohes Alter erreichen. In der Kirschgemeinde Hagen a.T.W. war die ’Schöne aus Marienhöhe’ einst eine der Hauptsorten und kommt noch relativ häufig vor.
Baummerkmale und Anbauempfehlung: Mit ihrer relativ kleinen Frucht und der eher geringen Platzfestigkeit genügt die Sorte zwar den Ansprüchen des heutigen Kirschenanbaus nicht mehr. Für den Selbstversorger sind jedoch ihre gute Baumgesundheit, die hohen und regelmäßigen Erträge sowie ihr guter Geschmack durchaus interessant. Darüber hinaus ist die Sorte – bei entsprechenden Bodenverhältnissen – mit ihren imposanten kastanienähnlichen Baumkronen ein optimaler „Landschaftsbaum“ im Streuobst.