Von der Entstehung über spannende Spuren der alten Bauweisen bis hin zu einem Blick hinein.
Von Sachsen und Franken
Das Sachsenland war früher in Gaue unterteilt. In unserer Gegend gab es das Grönegau rund um Melle, den Sutherbergigau im südlichen Bereich rund um Iburg, Laer und Dissen sowie den Threcwitigau, zu dem nachweislich Oesede und Wallenhorst und vermutlich auch Hagen gehörten. Zur Zeit der Sachsenkriege um 780 n.Ch. war Hagen vermutlich schon seit Jahrhunderten besiedeltes Bauernland. Mit der Eroberung durch die Franken kam der christliche Glaube in die Sachsenlande, erste Kirchen wurden gebaut und bildeten die neuen Zentren der Siedlungen.
Es gibt keine schriftliche Aufzeichnung, wann genau die Kirche in Hagen entstand. Allerdings gibt es ein starkes Indiz, dass dies sehr früh im Zuge der Eroberung durch die Franken geschah. Der Kirchenbau war für die Franken ein wichtiges Mittel, den christlichen Glauben in ihren neu eroberten Gebieten durchzusetzen. Dazu wählten sie meist ihre Lieblingsheiligen als Patron. Der heilige Sankt Martinus war einer dieser beliebten Heiligen, ebenso wie Sankt Remigius, Namensgeber der Kirche in Oesede.
In der Mitte dieser beiden Kirchspielgemeinden lag die Bardenburg, ein heutiges Erd- und Kulturdenkmal. Auf dieser Bardenburg residierte der Vorgänger des Grafen von Tecklenburg, Graf Kobbo, damals sehr begütert im Osnabrücker Bereich. Um das Jahr 850 unternahm er eine Pilgerreise nach Tour (Grabstätte des Heilige Martinus) und nach Reims (Grabstätte des Heiligen Remigius) und brachte Reliquien beider Heiligen mit nach Hause - vermutlich für die beiden Kirchen in seinem Einflussgebiet.
Spurenlesen am Bauwerk
Eine Kirche ist eigentlich nie ein fertiges Bauwerk, immer wieder gibt es Neuerungen, Erweiterungen oder auch Reparaturen in Folge von Bränden oder ähnlichem. 1492 hat man in Hagen angefangen, eine neue einschiffige Kirche zu bauen. Ob dies der ursprüngliche Standort des allerersten Kirchbaus war, ist fraglich. Es gibt Indizien, die für eine Verlegung des Standorts der ursprünglichen Kirche rund um das Jahr 1000 sprechen. So gibt es eine alte Sage über eine versunkene Kirche am Meerpohl, wo früher die Fronleichnamsprozession Station machte, oder auch die Tatsache, dass die besten Plätze im Kirchenchor von Altenhagener Bauernfamilien besetzt waren und nicht zuletzt die Namensgebung der heutigen Ortsteile selbst: „Hagen“ und „Altenhagen“ (früheres Hagen) bilden eine Indizienkette für eine Verlegung des Kirchenstandortes.
Der spätgotische Turm der Kirche hat ein spitzbogiges Portal und verzierte Konsolen. Diese Verzierungen passen nicht zu einer normalen Dorfkirche. Dies spricht für eine gewisse Bedeutung des Bauwerks im Mittelalter, die allerdings nicht klar überliefert ist.
Später mischen sich Einflüsse aus der Architektur der Weserrenaissance in den Bau, sie z.B. die Rundbögen oben im Bereich der Turmuhren.
Sieht man sich den Turm etwas genauer an, dann sieht man innen und außen an den einzelnen Steinen sogenannte Steinmetzzeichen, welche von den Bauhütten vergeben wurden und immer einem bestimmten Steinmetzmeister zugeordnet werden können.
Zudem sieht man ein paar Löcher in den Steinen. Dies waren die Löcher für die Steinzangen. Mit diesen Zangen konnte man schwere Steinblöcke einfacher tragen. In den unteren Steinschichten findet man diese Löcher nicht, da diese vom Boden eingebaut werden konnten. Weiter oben war dies mit Steinblöcken, die teilweise mehr als eine Tonne gewogen haben, nicht mehr möglich.
Außerdem sind in dem Gemäuer noch Einsparungen zu erkennen. Dies sind sogenannte Rüstlöcher, die als Basis für ein mittelalterliches Baugerüst dienten. Später wurden diese Rüstlöcher dann zu gemauert.
Des Weiteren sieht man noch Teile von römischen Zahlen: 8, 7, 6 und so weiter bis zur 2. Die einzelnen Steinquader wurden direkt im Steinbruch zugeschlagen, um unnötiges Gewicht beim Transport zu vermeiden. Die Zahlen geben die jeweilige Quaderhöhe an. Je nach Blockgröße wurden also Steinquader mit einer bestimmten Höhe geschlagen. Je kleiner die Zahl, desto schmaler der geschlagene Stein. Die 2 ist weniger hoch als die 3, die 3 ist weniger hoch als die 4 usw. Die Verwendung unterschiedlich hoher Steinreihen diente dazu, das Mauerwerk nicht so monoton aussehen zu lassen, sondern durch den Wechsel der Höhen ein belebteres Bild zu erschaffen.
Die Steine kommen zum Teil aus dem Wöhrden, dem sogenannten Grafenshaupt. Es gibt es an der Grenze zu Altgeorgsmarienhütte und Oesede die Flurbezeichnung „Toardenkuhlen“. Dort führen ausgefahrene Hohlwege oben in den Berg direkt zu einem 500 Jahre alten Steinbruch. Die tiefen Kuhlen für den Abbau der Steine kann man noch heute erkennen.
Die Weihung des Kirchenschiffs fand zwischen 1503 und 1504 statt, die Weihung des Turms 1523. Am 18. November 1575 verursachte ein Blitzschlag einen Brand der hölzernen Turmspitze. Die Kaminwirkung des Turms ließ die Spitze wie eine Fackel brennen. Es wurden Temperaturen von ca. 1000°C erreicht, was zum Schmelzen der Bronzeglocken führte. Ähnliches geschah beim ersten großen Brand von Hagen am 12. April 1723.
Aufgrund von Platzmangel wurde die Kirche mehrmals erweitert. Die erste Erweiterung wurde an die Nordseite angebaut. Dies geschah 1748. Belegbar ist dies durch eine überlieferte Gegebenheit ein paar Jahre später im 7-jährigen Krieg (1756 bis 1763). Damals kam ein französischer General, Mitglied der Ehrenlegion, schwer verletzt nach Hagen. Vor seinem Tod bezahlte er dem Pfarrer 4 Taler in Gold mit der Bitte, im neu errichteten Teil der Kirche beerdigt zu werden.
An die Ostseite der Kirche wurde bereits 1717 eine Sakristei angebaut. Die Steine dafür gewann man nachweislich von der Tecklenburg, die vom König von Preußen 1705 als Steinbruch freigegeben wurde.
Mit diesen Umbauten im 18. Jahrhundert erreichte das Kirchspiel eine Größe, die einen Nachtwächter erforderlich machte. Für die Tätigkeit des Nachtwächters gab es eine Eidesformel. Nachtwächter mussten im Winter von abends 10 Uhr bis morgens 4 Uhr und im Sommer von abends 11 Uhr bis morgen um 4 Uhr Wache halten. Er durfte nicht in die Kneipen gehen, war aber dazu verpflichtet, die Leute, die nach 10 Uhr noch in den Kneipen saßen, anzuzeigen. Zu dieser Zeit wurde in den Fenstern der Kneipen dann Buntes Butzenglas verbaut, durch das nicht mehr zu erkennen war, wer genau nun drinnen saß.
1815 wurde das nördliche Seitenschiff der Kirche nach Westen hin verlängert. Als anschließend die Kirche wieder zu klein wurde, wurde sie von 1836 bis 1838 nach Süden hin und von 1838 bis 1842 nach Osten hin erweitert.
1895 gab es ein schweres Gewitter, ein Blitz schlug in den Turm ein, diesmal aber ohne einen Brand auszulösen. Dieses Beinah-Unglück offenbarte jedoch, dass es zu wenig Fluchtmöglichkeiten aus der Kirche gegeben hätte. Die drei bestehenden Ausgänge reichten nicht für eine schnelle Evakuation aller Gottesdienstbesucher. Deshalb wurde ein Fenster ersetzt und zwei neue Sakristeitüren zusätzlich eingebaut.
Ein Blick hinein
Einen Blick in die ehemalige Kirche bietet die 360° Aufnahme. Die Säulen im Innenraum sind in sich verjüngenden Abständen aufgereiht, so dass eine optische Täuschung erzeugt wird, die dem Innenraum mehr Tiefe verleiht.
Das älteste Relikt im Kirchenraum ist der Rest eines alten Taufsteins, der aus der Zeit 1100 oder 1200 stammt. Erst 1824 wurde ein neuer Taufstein aus Osnabrück besorgt. Den alten holte sich ein Landwirt in seinen Garten. Dort wurde er wiederentdeckt und zurück in die Kirche gebracht.
Die alte Kommunionbank stammt ursprünglich aus dem Osnabrücker Dominikanerkloster. Man sieht Reliefs mit Themen aus dem Alten Testament und auch Szenen aus dem Neuen Testament. Am spannendsten ist die Szene „Das letzte Abendmahl“.
Der Hochaltar mit der Darstellung des Heiligen Martin zu Ross und der Darstellung der Göttlichen Dreifaltigkeit konnte Dank großzügiger Spenden erhalten werden.
Die heutige Kunstverglasung wurde vom Hagener Glasermeister Karl Jakubietz entworfen und hergestellt. Sie zeigt im Kirchturm den Pfarrpatron St. Martinus und in den Seitenschiffen die Hl. Sakramente.
Neue Kirche
1973 wurde die neue Kirche eingeweiht. Der Neubau war nötig, weil die alte Kirche für 300 bis 350 Personen ausgelegt war, aber an Hochtagen weit über 1000 Personen die Kirche besuchten. Als der Bau der neuen Kirche fertiggestellt war, blieb die Frage, was mit der alten Kirche passieren soll. Gemeinderat, Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand waren einstimmig für den Abriss der Kirche. Zeitgleich erlies der Bund aber ein neues Denkmalgesetz. Laut diesem Gesetz durften keine historisch wertvollen Gebäude mutwillig beschädigt werden. Dies rettete das heutige Hagener Wahrzeichen vor dem Abriss.
Die Ehemalige Kirche ist heute Kulturzentrum mit wechselnden Ausstellungen und regelmäßigen Konzerten. Durch die ausgezeichnete Akustik im Innenraum ist sie der ideale Ort für Konzerte.