In den mehr als 35 Knopffabriken der Kleinstadt Bärnau arbeiteten seit dem Ende des 19. Jhd. zahllose Frauen und Männer, dicht an dicht. Sie stanzten, frästen, schleiften, färbten und verpackten die Kunstwerke aus Perlmutt, Holz, Horn und später Polyester und Polyamid, welche weltweit gehandelt wurden. Die damals einzige Knopffachschule in Europa, sowie die „IKNOFA“, die Internationale Knopf-Fachausstellung, brachten der Stadt internationales Ansehen. Globale Marktveränderungen brachten gegen Ende des 20. Jhd. die Knopfindustrie in Bärnau ins Wanken - der Herzschlag der Stadt wurde schwächer. Die Bewohner erlebten die bittere Ironie, dass die Spezialisierung auf die Knopfherstellung, die einst Arbeit brachte, nun zu Arbeitslosigkeit führte.
Fasziniert von der aus heutiger Sicht exotisch wirkenden Knopfindustrie arbeite ich seit 2021 in und um Bärnau mit verschiedenen fotografischen Mitteln, um diese industrielle Entwicklung einer ländlichen Gegend an der bayerisch-tschechischen Grenze zu dokumentieren. Dabei stehen diese Entwicklung und der Ort als Repräsentanten für viele weitere Handwerks- und Industriestandorte in Deutschland und Europa, welche ein ähnliches Schicksal teilen. Verschiedene globale Krisen und Herausforderungen sowie wirtschaftlich attraktivere Regionen zwingen europäische Unternehmen zur Verlagerung oder Liquidation. Die Bekleidungsindustrie und damit auch die Knopfherstellung sind ein besonders tragisches Beispiel für diese Entwicklung.
Was als dokumentarisches Projekt begann, entwickelte sich zu einer künstlerischen
Auseinandersetzung - als ich den Ort und die Spuren verschiedener Jahrzehnte erkundete, wurde
mir klar, dass das Thema für mich ein Symbol für existenzielle Themen wie Veränderung, Verfall
und letztlich Tod war.
Die Arbeit vereint Archivbilder, Innen- und Außenaufnahmen verschiedener Fabriken sowie
Gegenstände und Stillleben. Dazu nutze ich unterschiedliche fotografische Ansätze, von der
digitalen Kleinbildkamera über das analoge Mittelformat bis hin zur 4x5 Zoll Großformatkamera.
Die Bilder werden sowohl schwarz-weiß (analog) sowie in Farbe (analog und digital)
aufgenommen und betonen so die Materialität und Vielschichtigkeit des Themas.
Eine Auswahl der Arbeiten wurde im Rahmen der „Paris Photo 2023“ in einer Gruppenausstellung
im Goethe-Institut in Paris gezeigt. Die Ausstellung wurde von der Deutsche Börse Foundation in
Zusammenarbeit mit Ute Mahler und Marit Herrmann organisiert und kuratiert.
2024 wurden einige Werke für die Kunstsammlung des Bezirks Oberpfalz erworben.
Informationen über den Künstler
Max Korndörfer (geb. 1991 in Plauen, lebt und arbeitet in der Oberpfalz) ist Lehrer und Fotograf.
Er schloss 2022 das Studium der Fotografie an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin unter
Ute Mahler und Göran Gnaudschun mit Auszeichnung ab, nachdem er sein Bachelorstudium in
Heilpädagogik / Inclusion Studies in Görlitz absolvierte und als Fotograf und Pädagoge ein halbes
Jahr für eine NGO in Nepal arbeitete. 2019 - 2022 arbeitete er als Assistent für das renommierte
Fotografenpaar Ute und Werner Mahler (Gründungsmitglieder der Agentur Ostkreuz).
In der fotografischen Arbeit von Max Korndörfer steht die intensive Auseinandersetzung mit dem
Verhältnis des Menschen zu seiner Umgebung im Mittelpunkt. Die Fotografien, die er in
verschiedenen urbanen und ländlichen Orten aufnimmt, erforschen die komplexe,
wechselwirkende Beziehung zwischen Individuen und ihren Lebensräumen. Durch die Linse
seiner Kamera versucht er, die subtilen Dynamiken und die wechselseitige Beeinflussung von
Mensch und Umgebung sichtbar zu machen. Seine Bilder fangen Momente ein, in denen sich die
Präsenz des Menschen in seiner Umgebung manifestiert, sei es durch architektonische Spuren,
alltägliche Aktivitäten oder stille Reflexionen. Diese Arbeiten hinterfragen und dokumentieren
zugleich, wie Räume unsere Identität prägen und wie wir durch unsere Existenz diese Räume
verändern.
Seine Arbeiten wurden in zahlreichen Magazinen und Publikationen wie beispielsweise 2022
EDITED (Kooperation mit dem ICP (International Center for Photography) New York), Hinterm Berg
- Notizen aus Osttirol (Innsbruck University Press AT), Out of Service Magazine, Another Place
Magazine etc. veröffentlicht und erhielten zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Photometria
Photobook Festival Award, Athens Photo Festival Award (Shortlist) sowie den Charta Photobook
Award (Shortlist).
Max Korndörfer hat seine fotografischen Arbeiten in einer Vielzahl von Einzel- und
Gruppenausstellungen präsentiert. Zu den Ausstellungsorten gehören beispielsweise das Goethe
Institut Paris (erstmalige Präsentation der Arbeit „Knopfstadt“ im Rahmenprogramm der Paris
Photo 2023), das Quartier 206 in Berlin, die Fotogalerie Friedrichshain in Berlin, Schloss
Neuhardenberg und Photometria Festival in Ioannina (GR).
Max Korndörfer ist Mitglied in der VG Bild-Kunst.